Wein vom Fuße der Anden
Argentinien ist mit einer Rebfläche von rund 228000 ha und einer jährlichen Produktion von knapp 16 Millionen Hektoliter Wein die Wein-Supermacht Südamerikas.
Inhaltsverzeichnis
Gleichzeitig hatten die Argentinier lange Zeit den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch, denn jeder Argentinier trank im Durchschnitt 90 Liter Wein im Jahr. Bis weit in die 1970er Jahre hinein konsumierten die Argentinier fast ausschließlich ihre eigenen Produkte, weshalb die argentinischen Weine nicht exportiert wurden.
Die Konkurrenz auf dem Weltmarkt fehlte und so fehlte auch der Ansporn, die eigenen Weine stetig zu verbessern und den Weinbau zu entwickeln. Erst mit dem Zusammenbruch des argentinischen Weinmarktes und dem Zwang zum Export in den 90er Jahren wurde die Weinindustrie Argentiniens dynamischer und qualitätsorientierter. Somit werden erst seit 20 Jahren die Potenziale des Weinbaus ausgeschöpft, die Argentinien bietet – fruchtbare Böden und trockenes und vor allem warmes Klima. Ausgezeichnete Bedingungen also, die der argentinische Wein heute honoriert.
Weinbau findet in Argentinien fast ausnahmslos am Fuße der Anden statt. Wie eine Perlenkette reihen sich die kleinstrukturierten Rebflächen auf einer Länge von 1750 Kilometern und einer Breite von gerade einmal 100 Kilometern vom tropischen Norden Argentiniens bis nach Patagonien im Süden aneinander.
Kein anderes weinproduzierendes Land der Erde kann derart hoch gelegene Weinbaugebiete vorweisen. In einzelnen Gebieten pflanzt man die Reben bis auf eine Höhe von 2500 Metern! Zwar liegen die Anbaugebiete auf der Regenschattenseite der Anden und sind somit extrem trocken, das Wetter ist allerdings kalkulierbarer und beständig. Verluste durch Unwetter sind selten. Auch wenn dadurch künstliche Bewässerung notwendig ist, sind die Bedingungen an den Anden ideal.
Die enorme Höhe sorgt außerdem dafür, dass Krankheiten und Schädlinge den Pflanzen nichts anhaben können. Auf den Einsatz von Pestiziden zum Schutz der Reben kann also verzichtet werden. Man kann sich dementsprechend sicher sein, dass man in einer Flasche argentinischen Weines lediglich das Produkt gekelterter Trauben findet und keine Chemikalien.
Diese Bedingungen sind auch der Grund dafür, dass beinahe 80 % des hier gewonnenen Weines aus roten Rebsorten gewonnen werden, da diese mit den hohen Temperaturen und der Trockenheit besser zurechtkommen als ihre weißen Verwandten.
Die Geschichte des argentinischen Weinbaus
Vom Messwein zum Qualitätswein
Der Weinbau kam im 16. Jahrhundert mit den spanischen Eroberern nach Südamerika. Um 1560 erreichten die ersten Reben die Gebiete des heutigen Argentiniens. Die spanischen Missionare, die mit den Konquistadoren ins Land kamen, bauten die Reben an, um Messwein für die neuen Kirchen zu erzeugen.
Dabei nutzten sie die bereits vorhandenen und sehr ausgeklügelten Bewässerungssysteme, mit denen die indigenen Völker Wasser aus den Anden auf die Anbauflächen leiteten. Der frühe Weinbau war damit spanisch geprägt, da sowohl Anbaumethoden und Rebsorten aus dem iberischen Land kamen. Über 200 Jahre lang änderte sich daran nichts.
Erst mit der massiven Einwanderung von Italienern und Spaniern Ende des 19. Jahrhunderts, kamen im großen Stil die heute bekanntesten Rebsorten, wie
- Spätburgunder,
- Cabernet Sauvignon und
- Malbec nach Argentinien.
Zwischen dem Ersten Weltkrieg und den 1950er Jahren galt das Land als eines der wohlhabendsten der Welt, wovon auch die Weinindustrie stark profitierte. Das Trinken von Wein gehörte zum Alltag dazu und war selbstverständlich. Der argentinische Wein verkaufte sich somit wie von selbst im eigenen Land, weshalb Neuerungen im Weinbau und der Ausbau von Weinen unnötig schienen.
Unter dem Militärregime der 60er, 70er und 80er Jahre löste eine wirtschaftliche Krise die andere ab und traf auch die Weinindustrie schwer. Der Binnenmarkt brach ein, da der Konsum des eigenen Weines stark zurückging. Erst die Redemokratisierung brachte wirtschaftliche Reformen mit sich, die neue Investitionen in den Weinbau ermöglichten.
Der Weinkonsum der Argentinier blieb allerdings auf niedrigem Niveau und so waren die Winzer gezwungen, ihre Produkte ins Ausland zu exportieren. Diese Zäsur stellte sich aber als wichtigster Schritt auf der Evolutionsleiter des argentinischen Weinbaus heraus, da sich die Qualität der Weine von nun an kontinuierlich weiterentwickelte. Heute brauchen die Weine des südamerikanischen Landes keinen Vergleich mit Weinen aus anderen Ländern zu scheuen. Die argentinischen Winzer wissen die Alleinstellungsmerkmale ihres Landes zum Vorteil der eigenen Produkte auszunutzen und bringen edle Tropfen hervor, die es Wert sind, probiert zu werden.
Klima und Geologie
Von Norden nach Süden durchqueren die Weinbaugebiete Argentiniens vier Klimazonen. Kein anderes Land kann eine solche Klima-Vielfalt vorweisen. Da Argentinien auf der regenabgewandten Seite der Anden liegt, sind die Weinberge am Fuße des Gebirges aber durchweg sonnenverwöhnt. Stark- oder Dauerregen, der den Reben gefährlich werden könnte, ist kaum zu befürchten. Vegetation ist deswegen allerdings nur in der Nähe von Gewässern oder durch Beregnung möglich.
Die künstliche Bewässerung sorgt aber für eine ideale Versorgung der Pflanzen, weshalb die Winzer hier häufiger Spitzenweine hervorbringen als in anderen Regionen der Erde. Die felsigen und kantigen Regionen unterhalb der Berggipfel sind zwar überaus trocken, dafür aber sehr mineral- und kalkreich. Gerade die roten Rebsorten fühlen sich hier bedeutend wohler als in anderen Ländern.
Weinanbaugebiete in Argentinien – heiß, trocken und sonnig
Die Weinanbaugebiete in Argentinien sind den politischen Regionen des Landes zugeordnet. In 16 Regionen werden demnach Reben angebaut und zu Wein verarbeitet.
Die größte und zugleich bedeutendste Weinbauregion Argentiniens ist Mendoza. Obwohl diese Region zum Teil sehr unwirtlich wirkt, da die Landschaft schroff und das Klima extrem ist, kommen aus Mendoza beinahe drei Viertel der in Argentinien produzierten Weine. Vom Schmelzwasser der Anden gespeist, reifen hier, in der Mitte des Landes, vor allem rote Rebsorten wie Merlot und Malbec. Gerade Letzterer, der ursprünglich aus Frankreich kommt, fühlt sich an den Hängen und den Hochplateaus Mendozas besonders wohl. Über 70 % aller Malbec-Weine kommen von hier, da sie dank des hervorragenden Klimas ihre berühmte Holznote ausbilden und besonders würzig sind.
An über 300 Tagen im Jahr können die Reben unter der Sonne Argentiniens reifen, weshalb die Weine sehr körperreich, vollmundig und geschmacksintensiv sind. Die Böden dieses Gebietes leisten ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zur Qualität der Weine. Die steinigen Plateaus sind mit Sand, Lehm oder Ton bedeckt und liefern somit ausreichend Mineralstoffe für die Pflanzen. Diese Eigenschaften machten nicht nur den Malbec berühmt, sondern das gesamte Weinbaugebiet. Denkt man heute an argentinische Spitzenweine, denkt man meistens auch an Mendoza.
Das Weinbaugebiet San Juan liegt nördlich von Mendoza und ist mit einer Anbaufläche von knapp 48000 ha die zweitgrößte Weinregion Argentiniens. Das Quecksilber klettert hier oftmals noch höher als in Mendoza und es fällt noch weniger Niederschlag als in der Nachbarprovinz im Süden. Weinbau ist daher ausschließlich in der Nähe größerer Gewässer und durch künstliche Bewässerung möglich.
Die intensive Sonneneinstrahlung sorgt daher auch für ein höheres Mostgewicht der Trauben und damit auch für süßere Weine. San Juan ist deshalb überwiegend für bodenständige Weine bekannt, was aber nicht besagt, dass die Qualität schlecht ist. Viele der Produkte sind Grundweine für hochwertige Liköre und Branntweine und werden weltweit geschätzt. In den höheren Lagen wird überwiegend mit
- Syrah,
- Tempranillo,
- Cabernet Sauvignon,
- Merlot oder
- Malbec
bestockt, da diese Reben in der Höhenluft sehr gut ausreifen und sich daraus oftmals erstklassige Produkte erzeugen lassen. Gerade die US-Amerikaner lieben die Weine, die aus diesem Weinbaugebiet stammen.
Patagonien gilt nicht nur als südlichstes Weinanbaugebiet Argentiniens, sondern auch als südlichste Weinregion der Welt. Schaut man sich die Bedingungen, vor allem die klimatischen, vor Ort an, wird man sich wundern, wie hier überhaupt Weinbau möglich ist. Es ist zwar trocken, aber eben auch bedeutend kühler und windiger als in anderen Weinregionen. Der polare Einfluss des Südatlantiks zeigt sich gerade in den Wintermonaten beeindruckend.
Der Anbau der sensiblen Pflanzen ist deshalb fast nur in den nördlichen Provinzen Neuquén und Rio Negro möglich. Hier gibt es größere Flüsse, die als Oasen in der Steppe Vegetation möglich machen. Aufgrund des Klimas schaffen es die Pflanzen auch nicht in so große Höhen. Bis maximal 400 Meter halten es die Reben aus, dann wird es ihnen zu kalt. Neuquén und Rio Negro eignen sich deshalb auch eher für den Anbau weißer Sorten wie
- Chardonnay,
- Sauvignon Blanc oder
- Chenin Blanc.
Patagonien bietet damit ganz andere Bedingungen als die restlichen Weinbaugebiete Argentiniens. Die Weine, die hier entstehen, besitzen aber gerade deshalb einen ganz eigenständigen und unverwechselbaren Charakter und sollten unbedingt probiert werden.
Auch die Weinregion Salta kann mit einer Superlative aufwarten. Rebstöcke finden hier den Weg bis auf eine Höhe von 2500 Metern. In keinem anderen Weinbaugebiet der Welt ist etwas Vergleichbares möglich. Auf gerade einmal 2000 ha Rebflächen, die meisten davon im Departamentos Cafayate, werden überwiegend weiße Sorten angebaut. Der steinige Boden, dieser im äußersten Nordwest Argentiniens gelegenen Provinz, ist überaus mineralhaltig und kann Feuchtigkeit sehr gut speichern.
In Kombination mit der Höhenluft werden diese Bedingungen besonders von den Torrontés-Riojano-Trauben geschätzt. Viele Winzer haben sich deshalb auf den Anbau dieser Sorte spezialisiert. Zeitweise wurde, der hier lediglich Torrontés genannte Wein, sogar ausschließlich in dieser Provinz hergestellt. Dieser Weißwein besitzt eine hohe Säure, überzeugt aber auch mit seinem intensiven, blumigen Bukett und der fruchtig-frischen Note. Obwohl oder gerade weil Salta so klein ist, finden die Torrontés-Riojano-Weine, die hier entstehen, große Anerkennung, da das einzigartige Terroir unverwechselbare Tropfen hervorbringt.
Ein Wein-Gigant ist geboren
Bis in die 1970er Jahre hinein produzierte Argentinien Wein wie am Fließband. Die Qualität dieser Erzeugnisse war denkbar schlecht und niemand außerhalb des Landes konnte oder wollte so etwas genießen. Der Segen des Landes, die fruchtbaren Böden und die ausgezeichnete Wetterlage westlich der Anden, war zugleich der Fluch des argentinischen Weinbaus, denn Weinreben wachsen hier wie von selbst und der Ertrag ist enorm. Masse statt Klasse ging so lange gut, bis der Binnenmarkt abrupt zusammenbrach und die argentinischen Weine keinen Absatz mehr fanden. Ab da an mussten die Prinzipien des argentinischen Weinbaus überdacht werden.
Gut 20 Jahre nach dem Neubeginn kann man eine mehr als optimistische Bilanz ziehen – Wein aus Argentinien ist auf dem Weltmarkt angekommen und erfreut sich einer stetig wachsenden Liebhabergemeinde. Die Bedingungen, die damals für Massenweine sorgten, werden heute genutzt, um Spitzenweine zu produzieren. Qualität ist heute die Maxime der argentinischen Winzer und dank des beständigen Wetters, ist diese für beinahe jeden Jahrgang garantiert. Argentinische Weine haben es somit mehr als verdient, von Ihnen probiert zu werden!